1944: Eine Schlacht mit zweieinhalb Millionen Soldaten – vergessen

Mit Flixbus über Felder, unter denen Hunderttausende Tote liegen. Für 15 Euro von Iasi in Rumänien nach Chisinau in Moldau. Eine fast vergessene Schlacht mit zweieinhalb Millionen Soldaten. Ich habe mir das mal angesehen.

Sehr schön hier auf dem Weg von Iasi (sprich Iaschi) in Rumänien nach Chisinau in Moldau. Allerding; hier liegen Zehntausende Tote unter den Feldern. Die deutsche Wehrmacht verlor während des Zweiten Weltkriegs innerhalb von vier Tagen nach dem 20. August 1944 650.000 Soldaten, die rumänischen Waffenbrüder eingerechnet. Die Verluste waren deutlich höher als die vor Stalingrad.

„Ähhh, ja, also ich habe davon gehört. Irgendwie ist diese Schlacht nicht so im Bewusstsein“, sagte mir ein Historiker, der sich mit nichts anderem beschäftigt als mit der Nazi-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg.

1.300.000 sowjetische Soldaten mit 16.000 Geschützen, 1.870 Panzern und 2.200 Flugzeugen stießen auf 1.200.000 Deutsche mit 170 Panzern und 800 Flugzeugen. Zweieinhalb Millionen Soldaten. Die Verluste der Roten Armee werden mit 58.000 angegeben. Das scheint etwas niedrig zu sein. Um zum Anfang zurückzukommen: Es liegen hier nicht Zehntausende, sondern Hunderttausende. Heute kann man einfach bei Flixbus buchen – und niemand sagt einem, was hier los war, kaum jemand erinnert sich. Mein Bus fuhr am 1. Juli 2024 um 14.45 Uhr in Iasi los und war pünktlich um 18 Uhr in Chisinau. Auf dem bislang einzigen zentralen deutschen Soldatenfriedhof Moldawiens in Chisinau sind nur 4.200 Tote eingebettet. Die anderen düngen mit ihren Knochen die Felder.

Rumänien wechselte während dieser Schlacht die Seiten, von den Deutschen zu den Sowjets. In Bukarest hatte ein lange vorbereiteter Putsch gegen Ion Antonescu stattgefunden. In der „Operation Jassy-Kischinew“, verloren mehr Soldaten ihr Leben als in Stalingrad, heute Wolgograd.

 

Dort, 1600 Kilometer weiter im Osten, fielen zwischen dem 23. August 1942 und dem 2. Februar 1943 226.000 deutsche Soldaten, 300.000 Verbündete der Deutschen und mehr als 500.000 sowjetische Soldaten – eine Million insgesamt. 110.000 deutsche und rumänische Soldaten gerieten in sowjetische Gefangenschaft. Davon überlebten 5000.

Mein Reiseziel heute, Chisinau, damals russisch Kischinjow, wurde am 24. August 1944 von der sowjetischen 5. Stoßarmee unter Nikolai Bersarin erobert. Bersarin, der Generaloberst, wurde acht Monate später am 28. April 1945 der erste sowjetische Stadtkommandant von Berlin. Er ist bis heute Ehrenbürger von Berlin, gewürdigt für seine Verdienste beim Wiederaufbau der Stadt. Welche innere Stärke muss man haben, sei es kommunistische Ideologie oder einfach nur Humanismus, nach so einer Schlacht mit so vielen Opfern auf der eigenen Seite, zur Bevölkerung des Feindes so freundlich zu sein. Der Bersarinplatz in Friedrichshain erinnert an ihn. An jenem 28. April 1945 schrieb Reichspropagandaminister Joseph Goebbels im Führerbunker seinen Abschiedsbrief.

Im Nationalen Museum für die Geschichte Moldawiens wird dieses sowjetische 500-Quadratmeter-Diorama gezeigt. So richtig ist darauf (für mich) nicht zu erkennen: